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T 1085/21 20-02-2024
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Verfahren zum Herstellen eines mit einer Chrom-VI-freien und kobaltfreien Passivierung versehenen Substrats
Ausreichende Offenbarung - Nacharbeitbarkeit (ja)
Neuheit - frühere europäische Anmeldung
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Lösung
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Patentansprüche - Stützung durch die Beschreibung (ja)
I. Das europäische Patent EP 2 907 894 B1 (im Folgenden: das Patent) betrifft ein Verfahren zum Herstellen eines mit einer Chrom-VI-freien und kobaltfreien Passivierung versehenen metallischen Substrats.
II. Der gegen das Patent eingelegte Einspruch stützte sich auf die Gründe der Artikel 100 a), b) und c) EPÜ.
III. Die Einspruchsabteilung hat entschieden,
- dass zwar der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht,
- dass das Patent jedoch in geänderten Umfang gemäß dem während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 24. März 2021 eingereichten, damaligen Hilfsantrag V den Erfordernissen des EPÜ genügt.
IV. Gegen diese Entscheidung legten sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende jeweils Beschwerde ein. Nachdem beide Verfahrensbeteiligte Beschwerdeführerinnen sind, werden sie weiter als Patentinhaberin und Einsprechende bezeichnet.
V. Anträge
Am Schluss der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 20. Februar 2024 bestand folgende Antragslage:
Die Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten auf Grundlage der Ansprüche gemäß Hauptantrag, welcher mit der Beschwerdebegründung als Hilfsantrag IV eingereicht wurde, und mit einer in der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren eingereichten angepassten Beschreibung.
Die Einsprechende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
VI. Wortlaut der Ansprüche gemäß Hauptantrag
Die Ansprüche gemäß Hauptantrag entsprechen den Ansprüchen gemäß Hilfsantrag V, die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegen, und den Ansprüchen gemäß dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag IV.
Anspruch 1 inklusive einer von den Verfahrensbeteiligten verwendeten Merkmalsgliederung lautet:
Merkmal 1 |Verfahren zum Herstellen eines mit einer Chrom-VI-freien und kobaltfreien Passivierung versehenen metallischen Substrats durch Aufbringen |
Merkmal 2.1|(a) einer ersten sauren Passivierung, wobei zur Herstellung der ersten, sauren Passivierung eine wässrige saure Zusammensetzung auf das Substrat aufgebracht wird, die eine Chrom(III)-Verbindung, die ausgewählt ist aus der Gruppe von Chrom(III)-Sulfat, Chrom(III)-Hydroxid, Chrom(III)-Dihydrogenphosphat, Chrom(III)-Chlorid, Chrom(III)-Nitrat, Natriumchrom(III)-Sulfat, Kaliumchrom(III)-Sulfat und Chrom(III)-Salzen organischer Säuren,|
Merkmal 2.2|wobei die Zusammensetzung die Chrom(III)-Verbindung in Mengen von mindestens 0,05 g/l, bezogen auf die wässrige saure Zusammensetzung, |
Merkmal 3.1|und eine Phosphonsäure |
Merkmal 3.2|in Mengen von 0,5 bis 3 Gew.-%, bezogen auf die wässrige saure Zusammensetzung, aufweist, und |
Merkmal 4 |einer zweiten alkalischen Passivierung auf das metallische Substrat, wobei zum Herstellen der zweiten alkalischen Passivierung eine wässrige alkalische Zusammensetzung eingesetzt wird, die silanmodifizierte und/oder siloxanmodifizierte Silikate aufweist. |
VII. Stand der Technik
Die folgenden, bereits im Einspruchsverfahren zitierten Dokumente sind für diese Entscheidung wesentlich:
D1: |EP 2 784 188 A1 |
D2: |US 2010/0133113 A1 |
D3: |US 2010/0180793 A1 |
D4: |WO 99/51793 A1 |
D4a:|US 6,478,886 B1 |
D5: |EP 0 922 785 A2 |
D8: |WO 2008/151829 A1 |
D10:|B. Sonntag et al., "Chrom/VI)freie Passivierung für die Automobilindustrie", Galvanotechnik 10, Bd. 94 (2003), Seiten 2-7|
D11:|DE 10 2011 013 319 A1. |
Die europäische Patentanmeldung D1 wurde am 26. März 2013 eingereicht und am 1. Oktober 2014 und damit nach dem Anmeldetag des Patents vom 13. Februar 2014 veröffentlicht. Bei D1 handelt es sich folglich soweit auch unbestritten um Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ.
VIII. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Patentinhaberin in Bezug auf den Hauptantrag lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Ausführbarkeit
Ein Auslegung von Anspruch 1, wonach die zweite alkalische Passivierung vor der ersten sauren Passivierung erfolgen könne, entspreche nicht dem unmittelbaren Wortgebrauch in Anspruch 1, der durch die Worte "erste" und "zweite" eindeutig eine Reihenfolge der sauren und alkalischen Verfahrensschritte vorgebe.
Zudem werde in der Beschreibung des Patents stets ausgeführt, eine erste saure Passivierungszusammensetzung auf das Substrat und anschließend eine zweite alkalische Passivierung auf das sauer passivierte Substrat aufzubringen, siehe die Absätze [0019], [0020] und [0044].
b) Neuheit
D1 offenbare eine saure Passivierung mit einer phosphorhaltigen Verbindung, wie beispielsweise Phosphorsäure oder deren Salze, organische Phosphate, anorganische Phosphonate oder Mischungen davon. Eine bevorzugte Auswahl von Phosphonaten oder deren Mengen sei in D1 nicht offenbart. Auch offenbare D1 weder die im ersten sauren Passivierungsschritt nach Anspruch 1 einzusetzenden Chrom(III)-Salze noch den zweiten alkalischen Passivierungsschritt.
Im Rahmen der Beurteilung der Neuheit sei es nicht angebracht, die Lehre mehrerer Dokumente zu kombinieren, im vorliegenden Fall von D1 mit der Offenbarung in D2, D3 und D4a. Vielmehr müsse sich ein vermeintlich vorbekannter Gegenstand direkt und unmittelbar aus einem Dokument selbst ergeben.
Im Übrigen werde selbst bei Ergänzung der Offenbarung von D1 um die Offenbarung von D2, D3 und D4a der Gegenstand von Anspruch 1 nicht unmittelbar und eindeutig von D1 offenbart.
D2 offenbare zwar Passivierungslösungen mit Cr(III)-Salzen, liefere aber keine Offenbarung zum Einsatz von Phosphonsäuren. Der Verweis in D1 auf D2 führe daher nicht zum Gegenstand von Anspruch 1.
Auch werde nach D1 zwar vorzugsweise die in D3 beschriebene Passivierung eingesetzt (vgl. Absatz [0039] der D1). D3 zähle in Absatz [0016] sowie in Anspruch 24 aber verschiedenste organische Säuren auf. Selbst wenn man diese allgemeine Lehre betrachte und in einem ersten Auswahlschritt Hydroxyphosphonsäure auswähle, offenbare D3 nicht die in Verfahrensschritt a) von Anspruch 1 definierte Einsatzmenge. In den Ausführungsbeispielen der D3 werde jeweils ortho-Phosphorsäure verwendet (vgl. insbesondere Absätze [0031] ff. und [0047] ff. der D3).
Eine bevorzugte Auswahl einer Phosphonsäure und deren Mengen gemäß Anspruch 1 des Patents sei daher in D3 nicht offenbart.
Zudem beschreibe D1 in Absatz [0041], dass es möglich sei, eine Versiegelungsschicht gemäß D4a aufzubringen. D4a offenbare jedoch in den Beispielen den Einsatz von sowohl sauren als auch alkalischen Passivierungsmitteln, die Silikate und hydrolysierte Silane enthielten. D4a gebe keine Veranlassung ausgerechnet basische Mittel auszuwählen. Zudem werde gemäß D4a eine wässrige Zusammensetzung eingesetzt, die bereits hydrolysierte Silanprodukte enthalte. Diese hydrolysierten Produkte seien nicht mehr in der Lage zu silanmodifizierten und/oder siloxanmodifizierten Silikaten zu reagieren. Dazu müssten diese Produkte in Anlehnung an die Lehre des Patents nämlich zusammen mit Silikaten im alkalischen hydrolysiert werden. D4a offenbare daher keinen alkalischen Passivierungsschritt gemäß Merkmal 4 von Anspruch 1.
c) erfinderische Tätigkeit ausgehend von D11
D11 betreffe ein gattungsgemäßes Verfahren zur Passivierung von Zink, bei dem eine Passivierungslösung mit einem Phosphonsäure-Gehalt gemäß den Merkmalen 3.1 und 3.2 eingesetzt werde.
Eine zweite alkalische Passivierung gemäß Merkmal 4 des Anspruchs 1 sei nach D11 jedoch unstreitig nicht vorgesehen, da die saure Passivierung nach D11 bereits einen sehr guten Korrosionsschutz biete. D11 belege dies durch die Gegenüberstellung von mit und ohne Verwendung einer Phosphonsäure passivierten verzinkten Blechen mittels Salzsprühtest, welcher von einer Fachperson üblicherweise zur Beurteilung der Korrosionsbeständigkeit angewendet werde. Es gebe daher keine konkrete Veranlassung, den aus D11 bekannten Korrosionsschutz weiter zu verbessern.
D4 liefere ebenso keine Veranlassung, ein weiteres Versiegelungsmittel auch auf chromatierte Oberflächen aufzubringen, da die nach D4 bevorzugte und damit der Fachperson nahegelegte Verfahrensvariante das Aufbringen des Versiegelungsmittels direkt auf die metallische Oberfläche sei, siehe beispielsweise Anspruch 10 von D4.
Im Übrigen offenbare D4 in Analogie zu D4a keinen Passivierungsschritt im Sinne von Merkmal 4 des Anspruchs 1, bei dem eine alkalische Zusammensetzung eingesetzt werde, die silanmodifizierte und/oder siloxanmodifizierte Silikate enthalte.
Folglich sei der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von D11 selbst unter weiterer Berücksichtigung der Lehre von D4 nicht naheliegend.
d) erfinderische Tätigkeit ausgehend von D5
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von Beispiel 8 von D5 durch die Merkmale 3.1, 3.2 und 4. Dieses Beispiel sei daher nicht relevant für den Gegenstand von Anspruch 1.
Hinsichtlich des Beispiels 13 von D5 unterscheide sich der Gegenstand von Anspruch 1 dadurch, dass ein weiterer alkalischer Passivierungsschritt gemäß Merkmal 4 eingesetzt werde.
Wie in Bezug auf D11 dargelegt, liege es auch unter Berücksichtigung von D4 nicht nahe, im Anschluss an die saure Passivierung gemäß D5 zusätzlich einen weiteren Passivierungsschritt unter Einsatz einer alkalischen Zusammensetzung durchzuführen, die silanmodifizierte und/oder siloxanmodifizierte Silikate enthalte.
e) Anpassung der Beschreibung
Anspruch 1 sei im Vergleich zur erteilten Fassung lediglich durch die Streichung der Wortfolge "und/oder deren Derivate" geändert worden. Diese Änderungen seien entsprechend in der Beschreibung durchgeführt worden. Weiterreichende Änderungen seien daher nicht notwendig.
Insbesondere sei es nicht im Widerspruch zum geänderten Anspruch 1, dass Mischungen von Phosphonsäuren oder deren Salze eingesetzt werden, denn einerseits sei der Ausdruck "eine Phosphonsäure" in Anspruch 1 generisch zu verstehen und andererseits könne bei einer fertigen, sauren wässrigen Zusammensetzung nicht festgestellt werden, ob die darin enthaltene Phosphonsäure ursprünglich als Salz oder freie Säure zugesetzt worden sei.
IX. Das entsprechende Vorbringen der Einsprechenden lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
a) Ausführbarkeit
Anspruch 1 definiere, dass sowohl die "erste saure Passivierung" als auch die "zweite alkalische Passivierung" direkt auf das metallische Substrat aufgebracht werde.
Der Wortlaut von Anspruch 1 umfasse daher auch ein Verfahren, bei welchem auf das metallische Substrat zunächst die "zweite alkalische Passivierung" und erst danach die "erste saure Passivierung" aufgebracht werde. Für diese Verfahrensvariante gäbe es jedoch keinerlei geeignete Beispiele oder weitere Ausführungen in der Beschreibung. Darüber hinaus seien bei einer derartigen Verfahrensführung technische Schwierigkeiten zu erwarten, da mittels der Chrom-Ionen der sauren Passivierungszusammensetzung auf dem ersten Überzug aus silanmodifizierten und/oder siloxanmodifizierten Silikaten keine geeignete Passivierung erzielbar sei.
b) Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ
D1 offenbare ein Verfahren zur Bildung einer schwarzen Zink-Nickeloberfläche auf einem Eisen-haltigen Substrat, wobei eine Korrosionsschutzschicht gebildet werde (D1, Absatz [0001]).
Der Offenbarungsgehalt von D1 werde durch die direkten Verweise auf D2, D3 und D4a um deren Offenbarung ergänzt.
Gemäß Absatz [0033] von D1 könne eine Passivierungslösung gemäß D2 eingesetzt werden, die gemäß den Beispielen von D2 Chrom(III)nitrat und Chrom(III)sulfat enthalte.
D1 verweise in Absatz [0039] ergänzend auf die Offenbarung von D3. Darin werde in Absatz [0016] beispielweise vorgeschlagen eine Passivierungszusammensetzung mit einer Phosphonsäure einzusetzten. Zudem offenbare D3 in den Beispielen, dass phosphorhaltige Komponenten wie Phosphat in einer Menge von 28 g/Liter (2,8 Gew.-%) eingesetzt werden könnten (siehe Absatz [0033]).
D1 offenbare weiterhin in Absatz [0040] den Einsatz einer sealing layer", die Organo-silane (Silikontri- und -tetraalkoxide), anorganische Silicate und Silica enthalte und aus einer Lösung abgeschieden werde.
Zur ergänzenden Offenbarung dieser "sealing layer" verweise D1 in Absatz [0041] auf D4a, welche dem Familienmitglied D4 entspreche. D4a bzw. D4 gehöre also zu der Offenbarung der D1. D4a offenbare die Verwendung einer Dispersion mit Silanderivat und kolloidaler Kieselsäure oder kolloidalem Silikat in Form eines alkalischen Sols mit einem pH-Wert von 9-11, siehe insbesondere die Beispiele 1 und 3.
Damit offenbare D1 alle Merkmale des in Anspruch 1 definierten Verfahrens.
c) Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D11
D11 offenbare bereits ein Passivierungsverfahren mit dem ein sehr guter Korrosionsschutz erzielt werden könne. Der Einsatz einer weiteren Beschichtung mittels Silikaten zur Verbesserung des Korrosionsschutzes sei fachüblich, wie die Dokumente D2, D8 und D10 belegten. Zudem sei eine alkalische Passivierung gemäß Merkmal 4 von Anspruch 1 aus D4 bekannt.
D4 offenbare auf Seite 4, dass die in D4 beschriebene Versiegelung auch auf chromatierten und passivierten Zinklegierungen eingesetzt werden könne. Daher sei es naheliegend, nach der in D11 beschriebenen sauren Passivierung einen weiteren Passivierungsschritt gemäß D4 durchzuführen, um eine weitere Verbesserung der Passivierung zu erzielen.
d) D5 in Kombination mit D4
D5 sei ebenfalls ein geeigneter Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, da es die Ausbildung von Schutzschichten auf Metallen betreffe, die kein Chrom(VI) enthielten (siehe Absatz [0004], Anspruch 1).
D5 offenbare in Beispiel 13 eine Passivierungslösung, die als Sauerstoffsäure des Phosphors "phosphorous acid" (= Phosphonsäure) enthalte. Beispiel 8 verdeutliche zudem bereits, dass in einem zweiten Passivierungsschritt Silikate eingesetzt werden können.
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von der Offenbarung dieser Beispiele von D5 dadurch, dass in der Passivierung auch Silan und Siloxan in Ergänzung zu Silikat eingesetzt werde.
Die objektive technische Aufgabe könne darin gesehen werden, einen verbesserten Korrosionsschutz bereitzustellen.
In Anbetracht der Lehre in D4 sei es naheliegend, nach der in D11 beschriebenen sauren Passivierung einen weiteren Passivierungsschritt gemäß D4 durchzuführen, um eine weitere Verbesserung der Passivierung zu erzielen.
1. Ausführbarkeit
1.1 Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann ein Einwand bezüglich mangelnder Offenbarung nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn ernsthafte, durch nachprüfbare Fakten erhärtbare Zweifel an der Ausführbarkeit glaubhaft gemacht werden können (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, 2022, Kapitel II.C.9.).
Derartige nachprüfbare Fakten wurden von der Einsprechenden nicht vorgebracht. Ferner hat die Einsprechende auch keine Argumente dahingehend vorgebracht, dass das in Anspruch 1 definierte Verfahren bei einer Auslegung gemäß dem direkten Wortsinn der definierten Verfahrensschritte ungenügend beschrieben sei, also bei Durchführung des ersten und zweiten Passivierungsschritts in der Reihenfolge ihrer Bezeichnung als erster und zweiter Passivierungsschritt.
1.2 Die Einsprechende argumentiert vielmehr, dass eine Fachperson entgegen dem expliziten Wortlaut ("erste" und "zweite" Passivierung) den Wortlaut von Anspruch 1 so auslegen würde, dass dieser auch ein Verfahren umfasse, bei dem die zweite Passivierung vor der ersten Passivierung erfolgen könne. Für eine derartige, mögliche Ausführungsform sei keine Ausführungsform im Patent beschrieben und es sei zudem klar erkennbar, dass diese nicht durchführbar sei.
Dieses Argument überzeugt nicht.
1.3 Einerseits liefert weder der Aufbau noch der Wortlaut von Anspruch 1 einen Anhaltspunkt für eine Fachperson, die in Anspruch 1 definierte erste und zweite Passivierung in Umkehrung der durch die Wörter "erste" und "zweite" vorgegebenen Reihenfolge durchzuführen.
Zwar definiert Anspruch 1 in Merkmal 4, dass die zweite alkalische Passivierungszusammensetzung "auf das metallische Substrat" aufgebracht wird. Diese Unschärfe ist aber im Gesamtzusammenhang des Anspruchs 1 auszulegen, wonach auch schon die erste saure Passivierungszusammensetzung "auf das Substrat aufgebracht wird".
Der Ausdruck "auf das Substrat aufgebracht wird" liefert daher keine Veranlassung zu einer Auslegung entgegen den weiteren Angaben in Anspruch 1 und insbesondere zu einer Umkehrung der von Anspruch 1 vorgegebenen Reihenfolge der Passivierungsschritte.
1.4 Selbst wenn eine Fachperson durch den Ausdruck "auf das Substrat aufgebracht wird" Zweifel hinsichtlich der Reihenfolge der Passivierungsschritte haben sollte, lassen die zugehörige Beschreibung in den Absätzen [0019], [0020] und [0044] sowie die Ausführungsbeispiele des Patents unmissverständlich erkennen, dass die in Anspruch 1 durch die expliziten Angaben ("erste" und "zweite") vorgegebene Reihenfolge einzuhalten ist.
Diese widerspruchsfreie und in sich schlüssige Lehre wird auch nicht durch den von der Einsprechenden zitierten Absatz [0017] des Patents in Frage gestellt.
Dort heißt es:
"Die erste saure und die zweite alkalische Passivierung werden als wässrige Zusammensetzungen aufgebracht. [...] Das Behandeln der Oberfläche des metallischen Substrats mit den sauren und alkalischen wässrigen Zusammensetzungen führt zur Ablagerung von darin enthaltenen chemischen Komponenten, die auf der Oberfläche des Substrats einen Überzug, also die Passivierung, bilden."
Dieser Absatz definiert nicht zwei unterschiedliche Alternativen, sondern vermittelt nichts anderes als Anspruch 1, wonach das metallische Substrat nacheinander mit den einzelnen Passivierungszusammensetzungen behandelt wird, nämlich mit einer ersten und dann mit einer zweiten Zusammensetzung.
1.5 Zudem liegt es einem fachkundigen Leser auch aufgrund seines allgemeinen Fachwissens und der daraus resultierenden Erwartungshaltung - die auch die Einsprechende in ihre Argumentation einbezieht ("So dürften sich einerseits der Überzug aus Monoalkylalkoxysilan leicht von der Metalloberfläche lösen, und andererseits wird auch keine gute Haftung der Chromionen auf dem ersten Überzug entstehen") - fern, Anspruch 1 entgegen der Lehre des Patents auszulegen.
1.6 Der Vortrag der Einsprechenden kann daher keine ernsthaften Zweifel aufkommen lassen, dass eine einschlägige Fachperson anhand der Patentoffenbarung in ihrer Gesamtheit und mithilfe des allgemeinen Fachwissens in der Lage ist, ohne unzumutbaren Aufwand die beanspruchte Erfindung auszuführen.
Ein Mangel der Ausführbarkeit ist daher nicht feststellbar. Der Hauptantrag erfüllt mithin die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ.
2. Neuheit (Artikel 54 (3) EPÜ)
2.1 D1 offenbart in Anspruch 1 ein Elektroplattierverfahren zur Aufbringung von Zink-Nickellegierungen auf ein Eisensubstrat und anschließender Schwarzpassivierung der obersten Zink-Nickellegierungsschicht.
In den Absätzen [0029] bis [0034] beschreibt D1 die Zusammensetzung zur Schwarzpassivierung sowie die Verfahrensparameter zu deren Aufbringung. Gemäß Absatz [0030] kann die Zusammensetzung Chrom(III)-Ionen enthalten.
Die in Anspruch 1 aufgelisteten Chrom(III)-Salze offenbart D1 in Bezug auf diese Ausführungsformen nicht.
In Absatz [0031] beschreibt D1 den möglichen Einsatz von Komplexbildern, bei denen es sich um Carbonsäuren und Fluoride handeln kann.
D1 offenbart dort weder den Einsatz von Phosphonsäuren noch deren Einsatzmenge von 0,5 bis 3 Gew.-%, bezogen auf eine saure Passivierungszusammensetzung.
2.2 In Absatz [0036] beschreibt D1 eine Ausführungsform, wonach auf die Chrom(III)-haltige Schwarzpassivierung eine nichtpigmentierte Chrom(III)- enthaltende Passivierungsschicht und weiterhin eine Versiegelungsschicht ("sealing layer") aufgetragen werden kann.
Die nichtpigmentierte Chrom(III)-enthaltende Passivierungszusammensetzung kann Phosphonate enthalten (vgl. Absatz [0037] von D1). Die in Anspruch 1 aufgelisteten Chrom(III)-Salze offenbart D1 in Bezug auf diese Ausführungsform jedoch ebensowenig wie die Einsatzmenge von 0,5 bis 3 Gew.-% für die Phosphonate.
2.3 Die unmittelbare Offenbarung in D1 offenbart daher keinen der beiden Passivierungsschritte gemäß Anspruch 1.
2.4 D1 verweist in Bezug auf weitere einsetzbare Passivierungslösungen unter anderem auf die Dokumente D2, D3 und D4a.
Gemäß gängiger Rechtsprechung (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, 2022, Kapitel II.C.4.2) kann der Inhalt eines weiteren Dokuments bei der Beurteilung der Neuheit in Betracht gezogen werden, wenn das Hauptdokument (hier D1) einen ausdrücklichen Hinweis auf eine andere Druckschrift (hier D2, D3 oder D4a) aufweist.
Allerdings offenbart D1 auch unter Berücksichtigung dieser Hinweise auf die Dokumente D2, D3 und D4a kein Verfahren gemäß Anspruch 1.
2.4.1 D1 verweist in Absatz [0033] darauf, dass eine Lösung gemäß D2 eingesetzt werden kann, die gemäß den Beispielen von D2 Chrom(III)nitrat und Chrom(III)sulfat enthält. Selbst wenn man diese Lösungen nach D2 in einem Verfahren nach D1 einsetzt, so unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 nichtsdestotrotz bereits dadurch, dass im Verfahrensschritt a) zusätzlich Phosphonate in einer Menge von 0,5 bis 3 Gew.-% eingesetzt werden.
2.4.2 Weiterhin offenbart D1 in Absatz [0039], dass eine bevorzugte nichtpigmentierte Chrom(III)-enthaltende Passivierungszusammensetzung in D3 beschrieben wird.
D3 offenbart in allen Beispielen Passivierungszusammensetzungen, die Chrom(III)-Hydroxid und Phosphat (PO4**(3-)) aber keine Phosphonate enthalten.
Zwar listet D3 in Absatz [0016] sowie in Anspruch 24 verschiedenste organische Säuren als mögliche Komplexbildner auf, unter anderem auch Hydroxyphosphonsäure. D3 offenbart allerdings keine konkrete bevorzugte Zusammensetzung, die Phosphonsäure enthält, insbesondere nicht in den Mengen gemäß Anspruch 1 des Patents.
Auch unter Berücksichtigung der Bezugnahme in D1 auf die in D3 beschriebenen Passivierungszusammensetzungen offenbart D1 somit keine erste saure Passivierungszusammensetzung gemäß Anspruch 1 des Patents.
2.4.3 In den Absätzen [0040] bis [0043] von D1 wird eine optionale Versiegelungsschicht ("sealing layer") erläutert. Bevorzugt kann gemäß Absatz [0041] eine Versiegelungszusammensetzung gemäß D4a eingesetzt werden.
D4a offenbart in den Beispielen 1 bis 4 alkalische und saure Versiegelungszusammensetzungen, für die hydrolysierte Silane mit Silikaten oder Kieselsolen gemischt werden (vgl. Beispiele 1 bis 4 sowie Anspruch 6 der D4a). Daher liegen in der Versiegelungszusammensetzung nach D4a Silanhydrolysate und Silikate nebeneinander in Mischung vor.
Gemäß Merkmal 4 von Anspruch 1 sollen in dem zweiten alkalischen Passivierungsschritt jedoch silanmodifizierte oder siloxanmodifizierte Silikate eingesetzt werden. Bei silanmodifizierten oder siloxanmodifizierten Silikaten handelt es sich um Verbindungen, bei denen Silane bzw. Siloxane als kovalente Seitenketten an die Silikate gebunden vorliegen (siehe Absatz [0024], im Speziellen Seite 4, Zeilen 14 bis 19 des Patents). Diese bilden sich dann aus, wenn eine Hydrolyse der Silane/Siloxane in Gegenwart der Silikate im Alkalischen erfolgt (siehe Absatz [0025], im Speziellen Seite 4, Zeilen 29 bis 31 des Patents).
Dies wird von D4a nicht vorgeschlagen und auch der Lehre der D4a folgend nicht zwingend erreicht.
Einerseits werden in D4a in den Beispielen von D4a bereits hydrolysierte Silane eingesetzt. Diese reagieren nicht notwendigerweise mehr mit den eingesetzten Silikaten zu silanmodifiziertem Silikat, da die reaktive Gruppe ja bereits hydrolysiert wurde.
Andererseits offenbart D4a in den Beispielen sowohl den Einsatz saurer als auch alkalischer Mittel. D4a zielt daher auch nicht zwingend auf Reaktionsprodukte ab, die der Argumentation der Einsprechenden nach theoretisch beim Mischen getrennt voneinander hydrolysierter Komponenten im Alkalischen durch weitere Kondensation entstehen könnten.
D4a offenbart daher nicht zweifelsfrei Passivierungsmittel mit silanmodifizierten Silikaten.
Soweit die Einsprechende in Bezug auf den zweiten alkalischen Passivierungsschritt argumentiert, dass die Lehre in D4a diesbezüglich der Lehre im Patent entspreche, ist dies ebenfalls nicht überzeugend.
Das Patent offenbart wie bereits oben dargelegt in Absatz [0025], dass die gemäß Merkmal 4 von Anspruch 1 einzusetzenden silanmodifizierten oder siloxanmodifizierten Silikate durch Hydrolyse der Silane/Siloxane in Gegenwart der Silikate erfolgt (siehe Absatz [0025], im Speziellen Seite 4, Zeilen 29 bis 31 des Patents). Zwar offenbart das Patent in den Absätzen [0025] und [0061] auch, dass als Passivierungsmittel ein vollständig hydrolysiertes Produkt eingesetzt wird. Daraus ist aber nicht ableitbar, dass jede Mischung von vorab hydrolysierten Silanen/Siloxanen und Silikaten ein nach Merkmal 4 einzusetzendes silanmodifiziertes oder siloxanmodifiziertes Silikat bereitstellt, bei dem eine kovalente Bindung der Silan bzw. Siloxane zu den Silikaten ausgebildet wird.
D1 offenbart daher unter Berücksichtigung der Bezugnahme auf D4a auch keinen zweiten Passivierungsschritt nach Merkmal 4 von Anspruch 1.
2.5 Zusammenfassend kommt die Kammer daher zu dem Schluss, dass das Verfahren nach Anspruch 1 neu ist und der Gegenstand von Anspruch 1 die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ erfüllt.
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3.1 Ausgehend von D11 in Kombination mit D4
3.1.1 D11 offenbart in den Ansprüchen 1, 5 und 6 allgemein ein Verfahren zur Passivierung einer Zink-beschichteten Schraube, bei dem eine Passivierungslösung eingesetzt wird enthaltend Chrom(III)-nitrat oder Chrom(III)-chlorid und eine Phosphonsäure in einer Menge von 0,001 bis 5 Gew.-%, vorzugsweise 0,01 bis 0,5 Gew.-% (0,01 bis 50 g/l, vorzugsweise 0,1 bis 5 g/l).
3.1.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von dem in D11 beschriebenen Verfahren unstreitig dadurch, dass ein zweiter alkalischer Passivierungsschritt mit einem silan- oder siloxanmodifizierten Silikat durchgeführt wird (Merkmal 4).
3.1.3 Die Einsprechende argumentiert, dass eine Fachperson das ständige Bedürfnis habe, den Passivierungsschutz zu verbessern und dass daher die objektive technische Aufgabe ausgehend von D11 darin liege, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das einen besseren Passivierungsschutz erzielt.
Zudem sei es der Fachperson bekannt, wie von den Dokumenten D2 (siehe die Absätze [0007] und [0067]), D8 (siehe Seite 2, Zeilen 9 bis 11 des letzten Absatzes) und D10 (siehe Seite 7, Abschnitt 6 "Einsatz von Versiegelungen") belegt, dass durch eine zusätzliche Versiegelung ("topcoat") der Korrosionsschutz weiter verbessert werden könne.
Selbst wenn man der Argumentation der Einsprechenden diesbezüglich folgt, ist der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von D11 jedoch nicht naheliegend, denn der einfache allgemeine Hinweis auf weitere Versiegelungsschritte legt noch nicht nahe, ausgehend von dem effektiven Passivierungsverfahren gemäß D11 (siehe die guten Resultate der erfindungsgemäßen Beispiele im Salzsprühtest gemäß Absatz [0034] von D1 im Vergleich zu dem Vergleichsbeispiel von D1 gemäß Absatz [0030]) ausgerechnet einen weiteren alkalischen Passivierungsschritt gemäß Merkmal 4 von Anspruch 1 vorzusehen.
3.1.4 Die Einsprechende argumentiert weiterhin, dass der Einsatz eines zweiten, nachfolgenden alkalischen Passivierungsschritt gemäß Merkmal 4 von Anspruch 1 ausgehend von D11 durch D4 nahegelegt werde, zumal D4 auf Seite 4, Zeilen 8 bis 10 offenbare, dass die in D4 beschriebenen Versiegelungsmittel auch auf chromatierten und passivierten Zink- und Zinklegierungsschichten aufgebracht werden können.
Auch dieses Argument überzeugt nicht.
D4 ist ein Dokument der Patentfamilie von D4a. Der wesentliche Offenbarungsgehalt von D4 und D4a ist unstreitig identisch.
Wie oben zur Neuheit gegenüber D1 in Punkt 2.4.3 in Bezug auf D4a dargelegt, offenbart D4 keinen Passivierungsschritt nach Merkmal 4 von Anspruch 1. Vielmehr wird gemäß D4 ein Gemisch von Silikaten mit vorab hydrolysierten Silanen eingesetzt.
D4 liefert daher dementsprechend auch keine Veranlassung für die Fachperson ausgehend von D11, einen zweiten Passivierungsschritt unter Verwendung einer Passivierungslösung enthaltend silanmodifizierte Silikate einzusetzen.
3.1.5 Ausgehend von D11 ist der Gegenstand von Anspruch 1 daher unter Berücksichtigung der Lehre in D4 nicht naheliegend.
3.2 Ausgehend von D5 in Kombination mit D4
3.2.1 D5 offenbart ein Verfahren zur Passivierung bei dem ein saures Passivierungsmittel eingesetzt wird, das Sauerstoffsäuren des Phosphors enthält, speziell Phosphorsäure, Phosphinsäure bzw. verschiedene kondensierte Phosphorsäuren, siehe D5, Absätze [0011], [0012] und Beispiele.
3.2.2 Das von der Einsprechenden im Detail diskutierte Beispiel 8 von D5 enthält als Sauerstoffsäure des Phosphors die Diphosphorsäure ("pyrophosphoric acid") und damit keine Phosphonsäure wie von Anspruch 1 des Hauptantrags gefordert. Auch der im Weiteren gemäß Beispiel 8 von D5 durchgeführte Verfahrensschritt entspricht nicht dem zweiten alkalischen Verfahrensschritt gemäß Merkmal 4 des Anspruchs 1, denn gemäß D5 wird ein kollodiales Silica eingesetzt und nicht ein silan- oder siloxanmodifiziertes Silikat.
Ausgehend von Beispiel 8 von D5 besteht keine Veranlassung das darin beschriebene Passivierungsverfahren abzuändern und die Zusammensetzungen beider Passivierungslösungen entgegen der Lehre von D5 zu ändern.
3.2.3 Das von der Einsprechenden im Detail diskutierte Beispiel 13 von D5 enthält als Sauerstoffsäure des Phosphors eine Phosphonsäure ("phosphorous acid").
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von dem in D5 in Beispiel 13 beschriebenen Verfahren jedoch unstreitig dadurch, dass ein weiterer alkalischer Passivierungsschritt gemäß Merkmal 4 durchgeführt wird.
Damit unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 von der Offenbarung in D5 durch das gleiche Unterscheidungsmerkmal wie in Bezug auf D11.
Wie oben dargelegt, offenbart D4 keinen Passivierungsschritt nach Merkmal 4 von Anspruch 1.
Daher gelten ausgehend von D5 die gleichen Argumente, wie in Bezug auf D11 oben ausgeführt. Daraus folgt, dass die Fachperson ausgehend von Beispiel 13 von D5 keinen Anreiz dafür hat, das Passivierungsverfahren um einen weiteren, alkalischen Passivierungsschritt unter Einsatz silanmodifizierter Silikate zu erweitern.
3.2.4 Ausgehend von D5 ist der Gegenstand von Anspruch 1 daher unter Berücksichtigung der Lehre in D4 ebenfalls nicht naheliegend.
3.3 Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt.
4. Anpassung der Beschreibung
4.1 Anspruch 1 wurde im Vergleich zur erteilten Fassung in Bezug auf die Zusammensetzung der sauren Passivierung durch die Streichung des Ausdrucks "und/oder deren Derivate" geändert und definiert nun, dass darin eine Phosphonsäure in einer Menge von 0,5 bis 3 Gew.-% eingesetzt werden soll.
Die von der Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichte geänderte Beschreibung ist entsprechend angepasst, denn darin ist der entsprechende Verweis auf Derivate von Phosphonsäuren in Übereinstimmung mit der Änderung in Anspruch 1 ebenfalls gestrichen worden.
Eine darüber hinausgehende Anpassung der Beschreibung ist gemäß Artikel 84 EPÜ folglich aus Sicht der Kammer nicht erforderlich.
4.2 Die Einsprechende argumentiert, dass die Streichung des Ausdrucks "und/oder deren Derivate" in Anspruch 1 weiterhin eine Unklarheit in Bezug auf die Beschreibung generiere, da gemäß der Beschreibung Salze und Mischungen der Phosphonsäuren eingesetzt werden können während gemäß Anspruch 1 nur "eine", also die einzige Phosphonsäure mit der Summenformel H3PO3 eingesetzt werden dürfe.
4.3 Dieses Argument überzeugt nicht, denn die Kammer ist der Auffassung, dass der allgemeine Artikel "eine" im technischen Kontext von Anspruch 1 des Patents generisch auszulegen ist und auch Mischungen von (organischen) Phosphonsäuren umfasst.
4.3.1 Diese Auslegung wird einerseits vom eigentlichen Wortlaut gestützt, denn das Wort "eine" kann sich nicht nur auf die Zahl "eins" beziehen (im Sinne "eine einzige") sondern auch als unbestimmter Artikel für eine beliebig denkbare Menge dienen. Im Übrigen wird diesbezüglich sowohl im Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 als auch in jenem des Hauptantrags die gleiche sprachliche Formulierung verwendet.
4.3.2 Die generische Auslegung wird auch durch die abhängigen Ansprüchen 15 und 16 gestützt. Diese verdeutlichen sowohl in der erteilten Fassung als auch gemäß Hauptantrag (siehe beispielsweise Anspruch 15: "bei der eine oder mehrere Säuren eingesetzt werden aus der Gruppe ..."), dass die saure erste Passivierungszusammensetzung auch mehrere organische Phosphonsäuren aufweisen kann.
4.3.3 Daher steht die Offenbarung des Absatzes [0031] und der Beispiele 6, 7, 9 und 10 des Patents zum möglichen Einsatz von Mischungen von organischen Phosphonsäuren nicht im Widerspruch zum Wortlaut von Anspruch 1 und bedarf diesbezüglich keiner Anpassung.
4.4 Weiterhin kann für eine bereits hergestellte, saure wässrige Zusammensetzung nicht festgestellt werden, ob eine darin enthaltene Phosphonsäure ursprünglich als Salz oder freie Säure zugesetzt wurde. Daher steht auch die Offenbarung in Absatz [0031] des Patents zum möglichen Einsatz von Salzen der Phosphonsäure nicht im Widerspruch zum Wortlaut von Anspruch 1.
4.5 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die während der Verhandlung vor der Kammer eingereichte, an den Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag angepasste Beschreibung die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ erfüllt.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Patentansprüche 1-18 gemäß Hauptantrag, eingereicht
als Hilfsantrag IV mit der Beschwerdebegründung;
- angepasste Beschreibung wie eingereicht in der
mündlichen Verhandlung vor der Kammer (bezeichnet als
"angepasste Beschreibung Hilfsantrag 1").