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T 0663/22 26-03-2024
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Vorrichtung, Verfahren und Maschine zum Herstellen eines Filterstrangs der Tabak verarbeitenden Industrie
Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - rückschauende Betrachtungsweise
I. Die Einsprechende legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, den Einspruch zurückzuweisen.
II. In ihrer Entscheidung ist die Einspruchsabteilung zu der Auffassung gelangt, dass das Patent wie erteilt die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann, und dass die Erfordernisse des Artikels 100(a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ erfüllt sind.
III. Die angefochtene Entscheidung nimmt unter anderem Bezug auf die folgenden Entgegenhaltungen, die auch der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegen:
D1: EP 2 502 510 A1
D2: EP 0 128 031 A2
D3: EP 1 694 146 B1
D4: DE 43 08 093 A1
IV. Am 26. März 2024 fand eine als Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts statt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise zur Behandlung der Hilfsanträge die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, sowie weiter hilfsweise, das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage einer der im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsanträge 1 bis 4 aufrechtzuerhalten.
V. Der Hauptantrag (erteilte Fassung) umfasst zwei unabhängige Ansprüche 1 und 13, die wie folgend in der Merkmalsgliederung der Beschwerdegegnerin lauten:
Anspruch 1:
M1.1 Vorrichtung zum Herstellen eines Filterstrangs der Tabak verarbeitenden Industrie,
M1.2 umfassend eine mit Druckluft beaufschlagbare Transportdüse (12),
M1.3 ein Führungsrohr (18)
M1.4 mit einem im Führungsrohr (18) angeordneten längserstreckten Dorn (19),
M1.5 wobei unmittelbar ausgangs der Transportdüse (12) und mit einem Abstand zum Dorn (19) eine frei drehbare, nicht angetriebene Einzugsrolle (16) angeordnet ist, deren Lauffläche (17) abschnittsweise den Förderweg des Filtermaterialstreifens definiert,
dadurch gekennzeichnet, dass
M1.6 zwischen der Einzugsrolle (16) und dem Dorn (19) ein weiteres Führungselement (60, 70) angeordnet ist,
M1.7 mittels dessen ein Querschnitt des Filtermaterialstreifens zwischen dem Dorn (19) und dem weiteren Führungselement im Bereich eines Dornansatzes (19a) des Dorns (19) verkleinert wird.
Anspruch 13:
M13.1 Verfahren zum Herstellen eines Filterstrangs der Tabak verarbeitenden Industrie,
M13.2 wobei ein Filtermaterialstreifen durch eine Transportdüse (12) unter Zuführung von Druckluft
M13.3 zu einem Führungsrohr (18)
M13.4 mit einem im Führungsrohr (18) angeordneten längserstreckten Dorn (19) gefördert wird,
M13.5 wobei der Filtermaterialstreifen unmittelbar ausgangs der Transportdüse (12) und mit einem Abstand zum Dorn (19) über eine frei drehbare, nicht angetriebene Einzugsrolle (16) umgelenkt wird, deren Lauffläche (17) abschnittsweise den Förderweg des Filtermaterialstreifens definiert,
dadurch gekennzeichnet, dass
M13.6 der Filtermaterialstreifen zwischen der Einzugsrolle (16) und dem Dorn (19) mittels eines weiteren Führungselements (60, 70) zum Dorn (19) geführt wird,
M13.7 mittels dessen ein Querschnitt des Filtermaterialstreifens zwischen dem Dorn (19) und dem weiteren Führungselement (60, 70) im Bereich eines Dornansatzes (19a) des Dorns (19) verkleinert wird.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Ausführbarkeit der Erfindung
Das Streitpatent offenbare keine Ausführungsform, die unter den Wortlaut der erteilten Ansprüche falle, insbesondere hinsichtlich des Merkmals M1.6 bzw. M13.6. Gemäß Artikel 83 EPÜ müsse jedoch wenigstens ein Ausführungsbeispiel der Erfindung im Detail so offenbart sein, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
Neuheit gegenüber D1
Sollte die Ausführbarkeit gegeben sein und Merkmal M1.6 gemäß der angefochtenen Entscheidung, Punkt 15.2, ausgelegt werden, und weiterhin die Ausführung nach Figur 3 der Streitschrift darunter fallen, dann sei D1 neuheitsschädlich.
Das in Merkmal 1.3 geforderte Führungsrohr sei in D1 (Figur 6) durch den rohrförmigen Einlauffinger 20 offenbart. Der längserstreckte Dorn 64 sei mit seinem linken Ende in dem Einlauffinger angeordnet (Merkmal 1.4). Das weitere Führungselement sei die Towführung 18.
Auch in der Ausführung nach Figur 3 des Streitpatents verlaufe der Dorn im weiteren Führungselement (Trichter 70). In diese Anordnung sei laut Einspruchsabteilung der Trichter als weiteres Führungselement zwischen der Einlaufrolle 16 und dem Dorn 19 zu verstehen. Die im Streitpatent gezeigte Anordnung des Trichters entspreche genau der des Führungsrohrs 18 in D1. Entsprechendes gelte für Anspruch 13.
Neuheit gegenüber D2
Die Einspruchsabteilung habe sich geirrt, dass der D2 keine eindeutige Offenbarung zu Merkmal 1.5 entnommen werden könne. Tatsächlich sei es bei einem in D2, Figur 1 gezeigten Rollenpaar 24, 25 mit S-förmiger Strangführung fachüblich und daher implizit offenbart, nur eine der beiden Rollen - nämlich die untere - anzutreiben, während die andere - nämlich die obere - frei beweglich sei. Dieses Fachwissen sei beispielsweise der D3, Spalte 10, Zeilen 13 bis 15 mit Figur 1 (Rollen 60, 61) oder der D4, Figur 1 (Rollen 42, 43) zu entnehmen.
Weiterhin sei der Wortlaut in M1.5 "unmittelbar ausgangs der Transportdüse" relativ zu verstehen, so dass auch in D2, Figur 1, die Rollen 24, 25 unmittelbar, d.h. ohne weitere Zwischenelemente, ausgangs der Düse 22 angeordnet seien.
Die Merkmale M1.6 und M1.7 seien entgegen der Ansicht der Einspruchsabteilung durch das weitere Führungselement ("converging horn 27") offenbart, das ähnlich dem Trichter 70 im zweiten Ausführungsbeispiel des Streitpatents angeordnet sei. Das "converging horn 27" verdichte den Filtermaterialstreifen 26 gemäß M1.7 im Bereich des Dornansatzes 42 (Seite 15, Zeilen 4 bis 9). Des Weiteren sei das Führungsrohr im "tongue device 28" zu sehen, in dem sich der Dorn ("nozzle means 43") erstrecke.
Somit zeige D2 alle Merkmale der Ansprüche 1 und 13.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1
Sollte die Kammer der Ansicht sein, dass D1 das Merkmal M1.6 nicht offenbare, so sei darin keine erfinderische Tätigkeit zu sehen. Die D1 offenbare mit der Towführung 18 bereits ein weiteres Führungselement zur Verbesserung der Laufruhe. Unabhängig von dessen genauen Position in Bezug zum Dorn habe ein solches Führungselement immer auch den in Merkmal M1.7 beschriebenen Effekt. Daher seien Anspruch 1 und Anspruch 13 gegenüber der D1 alleine nicht erfinderisch.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2
Anspruch 1 unterscheide sich von der D2 nur durch die frei drehbare, nicht angetriebene Einlaufrolle. Eine derartige Anordnung gehe jedoch zur einfachen Umsetzung des Aufbaus zum einen aus dem Fachwissen hervor, zum anderen auch aus der Zusammenschau der D2 mit der D4. In D4 sei in Figur 1 gezeigt, dass bei einer S-förmigen Strangführung an den Rollen 42, 43 nur die untere Rolle 43 mit dem Motor 41 angetrieben werde und die obere Rolle 42 frei drehbar gelagert sei.
Sollte auch die Anordnung unmittelbar ausgangs der Transportdüse von der Kammer nicht in D2 gesehen werden, dann sei es für den Fachmann zur Erhöhung der Laufruhe naheliegend, die Rollen dort anzuordnen.
VII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Ausführbarkeit der Erfindung
Der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) vorgebrachten Einwand gegen das erteilte Patent sei ein Klarheitseinwand unter Artikel 84 EPÜ, der jedoch kein Einspruchsgrund sei.
Der Fachmann lese im Rahmen der Gesamtoffenbarung den Wortlaut "zwischen der Einzugsrolle 16 und dem Dorn 19 [...] angeordnet" im technisch funktionalen Zusammenhang aus Sicht des Filterstrangs, der in Figur 2 bzw. Figur 5 von der Einzugsrolle 16 über das weitere Führungselement 60 und den Dornansatz 19a zum Führungsrohr mit dem Dorn 19 geführt werde.
Insbesondere seien, der Dornansatz 19a mit dem weiteren Führungselement, die vorformend und vorverdichtend zusammenwirken, einerseits, funktional von dem Dorn, der mit dem Führungsrohr die U-Form erzeuge, andererseits, zu unterscheiden. Auch im Ausführungsbeispiel mit dem Trichter 70 wirke das weitere Führungselement im Bereich des Dornansatzes bzw. am Beginn des Dorns auf den Filtermaterialstreifen vorformend und vorverdichtend ein - funktional vor der weiteren Formgebung durch Dorn und Führungsrohr. Daher liege auch der Trichter 70 zwischen der Einzugsrolle 16 und dem funktional mit dem Führungsrohr zu sehenden Dorn. Dabei sei nicht unbedingt relevant, ob der Strang bei der Förderung zuerst den Trichter und dann den Dorn, oder umgekehrt, kontaktiere.
Neuheit gegenüber D1
Der in D1 gezeigte Einlauffinger 20, der für den Fachmann eine definierte technische Funktion habe, könne nicht als Führungsrohr gemäß der Merkmale M1.3, M1.4 angesehen werden. Im Einlauffinger werde ein Objekt in den zuvor vom Dorn und der Towführung 62 in U-Form gebrachten Filterstrang eingelegt. Damit könne der Dorn auch nicht im Einlauffinger angeordnet sein wie in D1, Absatz [0052] auch beschrieben.
Zusätzlich sei der Einlauffinger in D1, Figur 8 oder 10, gar nicht als Rohr offenbart.
Neuheit gegenüber D2
D2 offenbare nicht die Merkmale M1.4 bis M1.7. Die Argumentation der Einsprechenden sei spekulativ . Die Rollen 24, 25 seien beide angetrieben (Seite 14, Zeile 31 "filter tow 26 is withdrawn from the jet device by delivery rolls 24 and 25") und nicht unmittelbar ausgangs der Transportdüse angeordnet.
Ein Heranziehen der Patentschriften D3 und D4 sei ein Nachweis dafür, dass das Merkmal "nicht angetrieben" eben nicht direkt und unmittelbar offenbart sei.
Die "nozzle means 43" und "conduit means 42" seien Teile einer Zuleitung mit einer Düse, durch die flüssige oder gasförmige Additive in das Filtertow gesprüht würden. Die Teile 42, 43 seien willkürlich interpretiert und stellten keinen Dorn mit Dornansatz dar, mit dem der Filterstrang in eine reproduzierbare U-Form gebracht werde, um Kapseln einzulegen.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1
Wenn in D1 die gestellte Aufgabe - wie von der Beschwerdeführerin argumentiert - mit der Towführung bereits gelöst sei, gebe es für den Fachmann keinen Anlass, die Vorrichtung der D1 zu verändern.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2
D2 sei aufgrund der fehlenden Merkmale 1.4 bis 1.7, von denen keines naheliegend sei, nicht als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Nächstliegender Stand der Technik sei das Dokument D1, das auch als Stand der Technik im Streitpatent genannt werde. Die Argumentation der Beschwerdeführerin sei rückschauend.
1. Ausführbarkeit der Erfindung
1.1 Die Kammer bestätigt die Entscheidung der Einspruchsabteilung (Entscheidungsgründe 15.2), dass das Patent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 100(b) EPÜ).
1.2 Das Merkmal M1.6 bzw. M13.6 verlangt, dass ein weiteres Führungselement 60, 70 zwischen der Einzugsrolle 16 und dem Dorn 19 angeordnet ist. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin enthält das Streitpatent mit der Figur 2 zumindest ein erfindungsgemäßes Ausführungsbeispiel, das auch Merkmal M1.6 bzw. M13.6 zeigt. Damit ist der Fachmann in der Lage, die Vorrichtung nach Anspruch 1 bzw. das Verfahren nach Anspruch 13 nachzuarbeiten.
1.3 Aus Sicht der Beschwerdeführerin fordere das Merkmal 1.6, dass das weitere Führungselement in den Figuren räumlich rechts vom Dornansatz 19a, jedoch links von der Einzugsrolle 16 angeordnet sein müsse (siehe z.B. Figur 2 oder 5). Im ersten und dritten Ausführungsbeispiel (Figuren 2 und 5 des Streitpatents) sei das weitere Führungselement 60 jedoch - wie in Anspruch 2 auch präzisiert - unterhalb des zum Dorn gehörenden Dornansatzes 19a angeordnet.
1.4 Die Kammer ist nicht überzeugt und folgt der Argumentation der Beschwerdegegnerin, dass Merkmal M1.6 im Rahmen der Gesamtoffenbarung technisch funktional zu verstehen ist.
1.4.1 Der Wortlaut des Merkmals M1.6 verlangt keine rein geometrische Anordnung der Bauteile "Einzugsrolle", "weiteres Führungselement" und "Dorn". Vielmehr muss der Wortlaut des Anspruchs so verstanden werden, dass mit der Angabe "zwischen" eine Anordnung der Bauteile definiert wird, die die Reihenfolge des Einwirkens der Bauteile auf den Strang definiert. Demnach soll das weitere Führungselement nach der Einzugsrolle 16, jedoch vor dem Dorn 19 auf den Strang einwirken.
1.4.2 Diese Auslegung wird auch vom Streitpatent gestützt. In der erfindungsgemäßen, in Figur 2 gezeigten Vorrichtung zur Herstellung eines Filterstrangs wird der Filtermaterialstreifen gefördert wie in den Absätzen [0048] bis [0051] des Streitpatents beschrieben. Demnach trifft der Strang zunächst auf die von oben auf ihn einwirkende Einzugsrolle 16, dann auf das von unten den Strang führende, weitere Führungselement 60 und erst danach auf den erneut über dem Strang angeordneten Dornansatz 19a, dann auf den Dorn 19 (Absatz [0048]: "Der nicht dargestellte Filterstrang gelangt von der Unterseite der Lauffläche 17 der Einzugsrolle 16 zur Oberseite der Lauffläche 61 einer ebenfalls frei drehbar gelagerten und nicht angetriebenen Führungsrolle 60, die unterhalb des Dornansatzes 19a bzw. des Beginns des Dorns 19 angeordnet ist.")
1.4.3 Damit liegt bei dem in Figur 2 gezeigten Ausführungsbeispiel der Erfindung entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerin das weitere Führungselement 60 "zwischen" der Einzugsrolle 16 und dem Dorn 19.
Entsprechendes gilt für Merkmal M13.6 des Anspruchs 13.
1.5 Das Patent offenbart daher zumindest ein Ausführungsbeispiel, wie die beanspruchte Erfindung ausgebildet sein kann und das der Fachmann nacharbeiten kann.
1.6 Figur 5 zeigt zudem eine weitere Ausführungsform, bei der unter analoger Argumentation ebenfalls ein weiteres Führungselement in Form der Führungsrolle 60 zwischen der Einzugsrolle 16 und dem Dorn 19 angeordnet ist - wie in den Absätzen [0056] und[0057] des Streitpatents beschrieben.
1.7 Aufgrund dieser Schlussfolgerungen kann jedoch der von der Beschwerdeführerin erhobene Einwand, dass das weitere Ausführungsbeispiel nach Figur 3, bei dem ein stromaufwärts aus dem Führungsrohr herausragenden Teil des Dorns im weiteren Führungselement in Form eines Trichters 70 liege, unberücksichtigt bleiben. Dieser Einwand ist für die Ausführbarkeit der Erfindung nicht weiter relevant, da es dabei nicht darum geht, ob eines der gezeigten Ausführungsbeispiele im Widerspruch zum Anspruchswortlaut steht. Dies ist vielmehr eine Frage der Klarheit, die sich vorliegend für den erteilten Anspruch 1 bzw. 13 des Hauptantrags nicht stellt (siehe G3/14).
Entsprechend kann auch dahin gestellt bleiben, ob das Argument der Beschwerdegegnerin in Bezug auf die Ausführung der Figur 3 mit dem Trichter 70 überzeugt, wonach der Dorn funktional dem Führungsrohr zuzuordnen sei und somit der Trichter 70 mit dem darin angeordneten Teil des Dorns davon getrennt als unter Merkmal M1.6 und M1.7 fallend anzusehen sei.
2. Neuheit gegenüber D1
2.1 Die Kammer bestätigt die Entscheidung der Einspruchsabteilung (Entscheidungsgründe 16.2 und 16.4), dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 13 neu gegenüber D1 ist (Artikel 54 EPÜ).
2.2 Unbestritten offenbart die D1 - die im Streitpatent, Absatz [0004] als Ausgangspunkt der Erfindung genannt ist - alle Merkmale des Oberbegriffs.
2.3 Strittig ist, ob der in D1, Figur 6, gezeigte Einlauffinger 20 als Führungsrohr gemäß der Merkmale M1.3 und M1.4 und die Towführung 18 als weiteres Führungselement gemäß der Merkmale M1.6 und M1.7 angesehen werden können oder nicht.
2.4 Aus Sicht der Kammer ist der Einlauffinger 20 der D1 nicht als das in Merkmal M1.3 beanspruchte Führungsrohr anzusehen. Eine derartige Auslegung entspricht weder der Offenbarung der D1, noch dem technischen Verständnis des Fachmanns.
2.4.1 D1, Absatz [0052], offenbart: "Mit weiterem Bezug auf Figuren 5 und 6 können eine Towführung 62 und ein stabförmiger Pflug 64 vor dem Finger 20 angeordnet sein." Folglich mag der Pflug 64, der auch als Dorn bezeichnet wird, zwar etwas in den Finger 20 hineinragen (wie sich aus Figur 6 vielleicht erahnen lässt), offenbart wird jedoch - sowohl in der Beschreibung als auch in Figur 6 - eine Towführung 62 mit einem in der Towführung angeordneten längserstreckten Dorn 64, wobei der Dorn und die Towführung vor dem Finger 20 angeordnet sind. Damit entspricht nicht der Einlauffinger 20, sondern die Towführung 18 dem in den Merkmalen 1.3 und 1.4 beanspruchten Führungsrohr.
2.4.2 Da in D1 zwischen der Einzugsrolle 16 und dem Führungsrohr 18 kein weiteres Führungselement angeordnet ist (vgl. Figur 1), sind die Merkmale 1.6 und M1.7 nicht offenbart.
Entsprechendes gilt für den Verfahrensanspruch 13.
2.5 Selbst wenn der Einlauffinger 20 als ein Führungselement angesehen werden würde, ist die Neuheit aus folgenden Gründen dennoch gegeben.
2.5.1 Erstens kann der D1 - wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen - nicht zweifelsfrei entnommen werden, dass der Einlauffinger ein Rohr ist. In den perspektivischen Darstellungen der Figuren 8 und 10 ist der Einlauffinger in Form von zwei leicht gekrümmten, sich gegenüberliegenden Wangen gezeigt. Auch der Beschreibung ist hierzu keine eindeutige Lehre entnehmbar. Absatz [0049] beschreibt lediglich, dass der Finger eine konisch geformte Wand umfassen kann.
2.5.2 Zweitens ist der Dorn in D1 nicht im Einlauffinger 20 angeordnet, sondern in der Towführung 18 (siehe obigen Punkt 2.4.1).
2.6 Folglich nimmt die D1 den Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. das Verfahren nach Anspruch 13 nicht neuheitsschädlich vorweg.
3. Neuheit gegenüber D2
3.1 Die Kammer bestätigt die Entscheidung der Einspruchsabteilung (Entscheidungsgründe 16.8), dass die Ansprüche 1 und 13 neu gegenüber D2 sind (Artikel 54 EPÜ).
3.2 In D2 sind die Figuren 1 und 2 relevant. Darin ist, in Förderrichtung des Filtermaterials gesehen, eine Transportdüse ("jet device 22"), Einzugsrollen ("delivery rolls 24, 25"), ein "converging horn 27", ein "tongue device 28" und "nozzle means 43" gezeigt.
3.3 Die Kammer teilt die Auffassung der Einspruchsabteilung, dass der D2 keine eindeutige explizite oder implizite Offenbarung des Merkmals M1.5 zu entnehmen ist, wonach eine unmittelbar ausgangs der Transportdüse angeordnete Rolle frei drehbar und nicht angetrieben sein soll.
3.3.1 Die einzige Offenbarungsstelle in D2 betreffend den nach dem "jet device 22" angeordneten "delivery rolls 24, 25" findet sich auf Seite 14, Zeile 31, bis Seite 15, Zeile 1, mit Figur 1 ("The bloomed filter tow 26 is withdrawn from the jet device by delivery rolls 24 and 25 and is directed to converging horn 27 located adjacent to tongue device 28 associated with rodforming means 55.").
Hieraus ist nicht ohne Spekulation eindeutig und unmittelbar zu entnehmen, ob und wenn ja welche der Rollen 24, 25 frei drehbar und nicht angetrieben ist.
3.3.2 Hinsichtlich einer impliziten Offenbarung einer frei drehbaren, nicht angetriebenen Rolle wird von der Beschwerdeführerin mit den Entgegenhaltungen D3 und D4 argumentiert. Diese Dokumente seien als Nachweis des Fachwissens anzusehen, wonach bei Rollenpaaren mit S-förmiger Strangführung (ähnlich der beiden Rollen 24, 25 in D2) grundsätzlich immer nur die untere Rolle angetrieben werde.
3.3.3 Zunächst ist festzustellen, dass gemäß gängiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA Patentschriften üblicherweise nicht als Nachweis für Fachwissen herangezogen werden können (siehe 10. Auflage, I.C.2.8.2 "Patentschriften als allgemeines Fachwissen").
3.3.4 Auch bei näherer Betrachtung der D3 und D4 kann diesen Dokumenten keine konkrete Lehre dahingehend entnommen werden, dass bei Rollenpaaren mit S-förmiger Strangführung das Konzept, immer nur die untere der beiden Rollen anzutreiben am Tag der beanspruchten Priorität des Streitpatents zum allgemeinen Fachwissen gehörte.
Tatsächlich zeigen D3 und D4 Rollenpaare mit S-förmiger Strangführung (D3, Figur 1: Rollenpaar 60, 61; D4, Figur 1: Rollenpaar 42, 43). Diese sind jedoch in spezifischen Aufbereitungsvorrichtungen für Filtertowmaterial im Anschluss an eine Auftragseinrichtung für Weichmacher (D3, Figur 1 (44); D4, Figur 1 (29)) angeordnet. Damit können D3 und D4 nichts konkret dahingehend lehren, wie ein Rollenpaar ausgangs einer Transportdüse (wie in D2) anzuordnen ist.
Zusätzlich wird z.B. in D3, Spalte 10, Zeilen 13 - 15 ausgeführt, dass die Transportwalzenpaare 60 und 61 von Antrieben (im Plural) angetrieben werden, d.h. dass offensichtlich entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin keine der Transportwalzen 60, 61 frei drehbar ist.
3.4 Ferner ist der D2 keine Anordnung einer Einzugsrolle "unmittelbar ausgangs der Transportdüse 22" zu entnehmen. Die Rollen 24, 25 sind in Figur 1 zweifelsfrei beabstandet zum "jet device 22" dargestellt.
3.4.1 Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin umfasst der Wortlaut "unmittelbar ausgangs der Transportdüse" nicht, dass die Einzugsrolle mit einer nahezu beliebigen Distanz zur Transportdüse angeordnet sein könne - solange nur kein weiteres Bauteil zwischen der Transportdüse und der Rolle angeordnet sei.
3.4.2 Stattdessen sieht die Kammer eine "unmittelbar" ausgangs der Transportdüse angeordnete Einzugsrolle als gerade nicht beabstandet von der Transportdüse an, so dass der die Transportdüse verlassende Strang sofort nach der Transportdüse über die Einzugsrolle geführt wird.
3.5 D2 kann daher den Gegenstand nach Anspruch 1 bzw. das Verfahren nach Anspruch 13 nicht neuheitsschädlich vorwegnehmen.
4. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1
4.1 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur angeblich fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1 überzeugte nicht, so dass de Kammer keine Veranlassung sieht, von der Entscheidung der Einspruchsabteilung (Entscheidungsgründe 17.1), abzuweichen, wonach weder Anspruch 1 noch Anspruch 13 ausgehend von D1 nahegelegt wird.
4.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der aus D1 bekannten Vorrichtung durch das in den Merkmalen M1.6 und M1.7 definierte weitere Führungselement.
4.3 In der mündliche Verhandlung bezog sich die Beschwerdeführerin hinsichtlich des Angriffs ausgehend von D1 lediglich auf ihr schriftliches Vorbringen. Die schriftliche Argumentation (Beschwerdebegründung, Seite 44, dritter Absatz, bis Seite 45, letzter Absatz) beschränkt sich jedoch darauf, wie bei einer Vorrichtung mit einem Einlauffinger bei Verwendung eines Dorns die Laufruhe des Filterstrangs zu verbessern sei. Diese Aufgabe sei in D1 bereits durch das weitere Führungselement ( Towführung 18) gelöst. Da der in Merkmal M1.7 beschriebene Effekt unabhängig davon sei, ob die Towführung 18 wie in D1 angeordnet sei oder sich wie im Streitpatent bis zum Dornsatz erstrecke, sei Anspruch 1 nicht erfinderisch.
4.4 Es ist für die Kammer jedoch nicht ersichtlich, warum der Fachmann eine in D1 bereits gelöste Aufgabe erneut zu lösen versuchen sollte. Letztlich entspricht der Vortrag der Beschwerdeführerin dem Neuheitseinwand, wonach die Towführung als weiteres Führungselement anzusehen sei. Dass die Kammer diese Auffassung nicht folgt, wurde bereits unter obigem Punkt 2.4.1 erläutert.
4.5 Insbesondere fehlt es der Argumentation jeglichen Vortrags, warum ein Fachmann ausgehend von D1 überhaupt ein zur Towführung zusätzliches Führungselement in Erwägung ziehen sollte.
4.5.1 Selbst wenn der Fachmann in Betracht ziehen würde, zur Erhöhung der Laufruhe, die Towführung 18 in D1 zum Dornansatz hin zu verlängern oder zu verschieben, würde eine solche offensichtlich rückschauende Betrachtungsweise nicht zur beanspruchten Vorrichtung führen, da noch immer ein zur Towführung zusätzliches, weiteres Führungselement fehlen würde.
5. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2
5.1 Anspruch 1 und Anspruch 13 werden - der Entscheidung der Einspruchsabteilung folgend (Einspruchsgründe 17.2) - ausgehend von D2 nicht nahegelegt, weder in Kombination mit Fachwissen, noch in Kombination mit D4.
5.2 Anspruch 1 unterscheidet sich von der D2 zumindest durch Merkmal 1.5.
5.3 Die Beschwerdeführerin sieht die zu lösende Aufgabe in der Vereinfachung des Aufbaus bei erhöhter Laufruhe. Zur Lösung läge es in Kombination mit dem Fachwissen oder mit der D4 (Figur 1) nahe, zum einen nur die untere Rolle anzutreiben, und zum anderen die Rollen unmittelbar ausgangs der Transportdüse anzuordnen.
5.4 Die Kammer teilt diese Auffassung nicht.
5.4.1 Das Fachwissen hinsichtlich der genauen Anordnung der Rollen konnte - wie bereits zur Neuheit gegenüber D2 ausgeführt (siehe obigen Punkt 3.3.4) - nicht ausreichend nachgewiesen werden.
5.4.2 Auch die Kombination der D2 mit D4, Figur 1, in der laut Beschwerdeführerin der Motor 41 nur die untere Rolle 43 antreibe, wohingegen die obere Rolle frei drehbar und nicht angetrieben sei und nur der Bereitstellung eines ausreichenden Anpressdrucks des Strangs an die untere Rolle diene, überzeugt nicht.
D4 offenbart in Spalte 3, Zeilen 63 bis 66, hinsichtlich der Rollen 42, 43: "An die Auftragseinrichtung 29 schließen sich von einem Motor 41 angetriebene Transportwalzen 42 und 43 an".
Demnach sind in D4 beide Walzen (im Plural) vom Motor angetrieben.
Ein Hinweis auf Merkmal 1.5 ist daher auch der D4 nicht zu entnehmen.
5.5 Selbst unter der Annahme, dass eine der Rollen 24, 25 in D2 tatsächlich frei drehbar und nicht angetrieben wäre, ist keine der Rollen 24, 25 unmittelbar ausgangs der Transportdüse 22 angeordnet. Es besteht für den Fachmann ohne rückschauenden Betrachtungsweise auch kein Anlass, dies zu ändern. Weder die D3, noch die D4 können hierauf einen Hinweise geben, da darin die Rollen gar nicht im Anschluss an eine Transportdüse angeordnet sind, so dass der Fachmann diese Dokumente auch nicht erst berücksichtigen würde.
5.5.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte hierzu, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens wisse, dass eine unmittelbar nach der Transportdüse angeordnete Einzugsrolle vorteilhaft wäre. Doch auch für dieses vermeintliche Fachwissen bleibt die Beschwerdeführerin überzeugende Nachweise schuldig. Die bloße Behauptung zu diesem Fachwissen ist für die Kammer nicht ausreichend Beweis.
5.6 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit auch ausgehend von D2 nicht nahegelegt. Gleiches gilt für das Verfahren des Anspruchs 13.
5.7 Ob sich Anspruch 1 von der D2 noch durch weitere Merkmale unterscheidet - wie von der Beschwerdegegnerin hinsichtlich der Merkmale M1.4, M1.6 und M1.7 vorgetragen - kann daher offen bleiben.
6. Zulassungseinwände
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) erhob weiterhin einen Einwand betreffend die Zulässigkeit des erstmals in der mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgebrachten Angriffs unter Artikel 56 EPÜ an sich, sowie betreffend der Zulassung der erstmals in der mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Kombination von D2 mit D4.
Da keiner der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Angriffe unter Artikel 56 EPÜ in der Sache überzeugen konnte, kann die Frage der Zulässigkeit bzw. der Zulassung unbeantwortet bleiben.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.